Israelitische Kultusgemeinde Rottweil/VS K.d.ö.R.

 

Alte Synagoge Rottweil

Ehemalige Synagoge in Rottweil (1861-1938)
Kameralamtsgasse 6
Architekt: unbekannt
Foto: Yosyp Svobodin

Neue Synagoge Rottweil

Die neue Synagoge in Rottweil (Einweihung 2017)
Nägelesgrabenstraße 24
Architekten: Tobias Thiel, Christof Birkel

Foto: Tatjana Malafy

Gelebtes Miteinander
im Stiftszelt am Nägelesgraben
"Jüdischkeit mit Herz und Seele"


Wir sind eine große Familie

Die rund 300 Mitglieder zählende jüdische Gemeinde in Rottweil/Villingen-Schwenningen erfreut sich eines regen Gemeindelebens und großer Herzlichkeit. Jüdische Werte, Hilfsbereitschaft und Traditionen zeichnen das Miteinander aus. Die Gemeindemitglieder fühlen sich in einer eng verbundenen Gemeinschaft zu Hause, feiern die Feiertage zusammen und kümmern sich besonders in schweren Zeiten umeinander. Ob frisch gebackene Challot für Holocaustüberlebende und Kranke zur Freitagabend-Schabbatfeier oder die begleitenden Arztbesuchen – die jüdische Gemeinde unterstützt ihre Mitglieder in vielen Belangen. Diesen stehen eine Vielzahl an Angebote zur Verfügung, die die Zusammengehörigkeit stärken und beleben. So bietet die Gemeinde eine Bibliothek, eine Galerie, ein Kindertheater und einen Singkreis, eine Sonntagsschule für Kinder und Jugendliche sowie das Jugendzentrum „Chalom“ (Traum). Für ältere Mitglieder gibt es einen Seniorentreff, Gemeindeausflüge und Sprachkurse. Die wöchentlich erscheinende digitale Gemeindezeitung bringt Neuigkeiten und Grüße. Rabbiner Aaron Israel Bachkala betreut die Israelitische Kultusgemeinde Rottweil in allen religiösen Angelegenheiten und leitet die G´ttesdienste.

Die Israelitische Kultusgemeinde Rottweil versteht sich als offenes Haus, in dem alle interessierten Menschen der Stadt und der Region sehr willkommen sind. Vielfältige Kulturveranstaltungen wie die Jüdischen Kulturtage Rottweil/VS oder Synagogenführungen für Schulen und Vereine laden dazu ein auf Tuchfühlung mit jüdischer Kultur, jüdischem Leben und jüdischer Geschichte vor Ort zu gehen. Besonders am Herzen liegt der Israelitischen Kultusgemeinde Rottweil der Interreligiöse Dialog und der gegenseitige Austausch mit den verschiedenen Religionsgemeinschaften, so zum Beispiel bei Abrahams Töchter, einer Jüdisch-christlich-muslimischen Frauenbewegung in Villingen, die bei der evangelischen Erwachsenenbildung verortet ist.

Geschichte

Rottweil: Im Spätmittelalter existierte in Rottweil eine erste jüdische Gemeinde, die während der Pestzeit an Weihnachten 1348 durch ein Pogrom vernichtet wurde. Die Mitglieder der Gemeinde lebten wohl am heutigen Lorenzort in der Lorenzgasse, über Jahrhunderte auch als „Judenort/Judengasse“ bezeichnet. Danach lebten zwar einzelne Juden in der freien Reichsstadt, doch erst ab 1806 durften sich Juden wieder dauerhaft in Rottweil niederlassen. Dies zu verdanken war Moises Kaz, einem Lieferanten und Bankier aus Mühringen, der 1799 Rottweil vor der Zerstörung durch napoleonische Truppen bewahrt hatte. Er richtete in seinem Privathaus (Hauptstraße 29) einen Betsaal mit Torarollen und liturgischen Geräten ein. 1824 wurde die Israelitische Gemeinde Rottweil als Filialgemeinde des Bezirkrabbinats Mühringen gegründet. Die G´ttesdienste wurden zunächst in einem angemieteten Raum im Gasthaus „Goldener Becher“/"Gasthaus Krone“ abgehalten, später dann ab 1861 in einem größeren Betraum in der Kameralamtsgasse. 1850 erwarb die Gemeinde einen eigenen Begräbnisplatz am Südrand der Stadt und legte diesen in besonderer Weise an, die bis heute beibehalten ist. Um die Gleichheit aller im Tod zu betonen, wurden die Grabsteine der Gräber nicht senkrecht, sondern gleichförmig schrägliegend gestellt. Die Juden in Rottweil waren Kaufleute und Händler, viele von ihnen waren in der Textilbranche tätig und leisteten wichtige Beiträge zum wirtschaftlichen Leben der Stadt. 1924 löste sich die Israelitische Gemeinde Rottweil von Mührungen und wurde selbstständig. 1933 lebten in Rottweil etwa 88 jüdische Bürgerinnen und Bürger, die fest in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben der Stadt integriert waren. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden bis 1938 alle jüdischen Firmen liquidiert oder gingen in nichtjüdischen Besitz über. Nahezu alle Rottweiler Juden wurden dadurch ins Ausland vertrieben. Mit der Pogromnacht im November 1938 endete die Israelitische Kultusgemeinde Rottweil. SA-Angehörige aus Rottweil und Schwenningen zerstörten am 9. November 1938 die Inneneinrichtung des Betsaals und verbrannten auf der Straße vor der Synagoge die Torarollen und alle Einrichtungsgegenstände. 8 Frauen und Männer aus der Gemeinde wurden in deutschen Konzentrationslagern ermordet. Eine Gedenkstele in der Parkanlage des Nägelesgraben erinnert an die Ermordeten. Kleine Metalltafeln an ehemaligen jüdischen Gebäuden in der Stadt zeugen von der Geschichte und vom Schicksal ihrer einstigen Bewohner. Das Gebäude der entweihten Synagoge diente nach 1945 als Wohn- und Geschäftshaus. Als 1982 der Betsaal vom Stadtjugendring restauriert wurde, wurden Reste von Bemalungen entdeckt, darunter eine Wandmalerei mit der Abbildung der Palme der Gerechten.

Villingen: In der Stadt Villingen bestand zunächst im Mittelalter eine jüdische Gemeinde, die während der Judenverfolgung in der Pestzeit 1948/49 vernichtet wurde. Ab 1862 durften Juden wieder nach Villingen zuziehen und die Anzahl der jüdischen Bewohner wuchs. 1895 wurde eine jüdische Gemeinde gegründet, die zusammen mit Randegg zum Rabbinatsbezirk Gailingen gehörte. Um 1933 lebten etwa 60 jüdische Personen in Villingen, es gab mehrere jüdische Handels- und Gewerbebetriebe, auch ein jüdischer Rechtsanwalt hatte sich in Villingen niedergelassen. Nach Machtergreifung der Nationalsozialisten zwang die damit einhergehende Entrechtung und der wirtschaftliche Boykott die meisten Villinger Juden zum Wegzug. Beim Novemberpogrom 1938 drangen SS und SA-Leute aus Villingen gewaltsam in das Privathaus des jüdischen Viehändlers Hugo Schwarz in der Gerberstraße 33 ein. Sie setzten den Betsaal im Obergeschoß in Brand, den der Hausbesitzer Schwarz der jüdischen Gemeinde zur Verfügung gestellt hatte und misshandelten ihn. Am 22. Oktober 1940 wurden 12 verbliebene jüdische Einwohner in das Internierungslager Gurs deportiert. Etwa 16 Einwohner aus Villingen wurden während der Shoa ermordet.

Ab 1996 erfolgte ein wachsender Zuzug jüdischer Familien aus den ehemaligen GUS-Staaten, so dass 2001 die Jüdische Gemeinde Villingen-Schwenningen und Schwarzbald Baar e.V. gegründet wurde. In Abstimmung mit dem Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden wurde Ende 2002 die Israelitische Kultusgemeinde Rottweil gegründet, mit der Besonderheit, dass sich Teile der Stadt Villingen-Schwenningen und Rottweil im Gebiet von Württemberg befinden. 2007 verlieh die IRG Baden der Israelitischen Kultusgemeinde Rottweil die Körperschaft des öffentlichen Rechts. Als die Gemeinderäume im ehemaligen Fernmeldegebäude für die inzwischen stark angewachsene jüdische Gemeinde zu klein geworden waren, konnte am 20. März 2016 auf einem angekauften Grundstück am Nägelesgraben der Grundstein für ein neues Gemeindezentrum gelegt werden. Zu diesem Anlass stiftete die IRG Baden einen vom Tempelberg in Jerusalem stammenden Stein symbolisch zum Zeichen, dass die neue Synagoge ein rettender Zufluchtsort in Zeiten der Not sein möge. Sicht- und berührbar wurde dieser beim Bau in eine Wand neben dem Eingang eingelassen. Die neue Synagoge Rottweil, deren Frontseite ein markanter Davidstern ziert und die in Form und Gestalt dem Stiftzelt der Israeliten ähnelt, bietet der jüdischen Gemeinschaft in Rottweil viel Platz für ein lebendiges und aktives Gemeindeleben. Mit einem Festakt wurde unter regem Anteil der Bevölkerung die neue Synagoge am 19. Februar 2017 in Anwesenheit des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster und dem Vorsitzenden der IRG Baden Rami Suliman feierlich eingeweiht. Zuvor waren die Torarollen singend und tanzend durch die Straßen in Rottweil vom Betsaal zur neuen Synagoge getragen worden.

Heute ist die Israeltische Kultusgemeinde Rottweil/Villingen-Schwenningen fest in der Stadt und in der Gesellschaft etabliert und leistet einen wichtigen Beitrag zum kulturellen und religiösen Leben der Städte Rottweil und Villingen-Schwenningen, wie auch des Landkreises. Gute Verbindungen gibt es zu den Behörden und Ämtern vor Ort, zu kulturellen Einrichtungen und zu Vereinen. Interessierte Besucher sind bei der Israeltischen Kultusgemeinde Rottweil immer herzlich willkommen, sei es zu kulturellen Veranstaltungen, zum gegenseitigen Austausch und mehr. Die Gemeinde bietet Synagogenführungen nach Anmeldung an.

Vorstand

Yosyp Svobodin, Vorsitzender
Alexander Ivankovskij, stellvertretender Vorsitzender
Leonid Rotshteyn, stellvertretender Vorsitzender
Efim Balabir, Beisitzer
Jurii Finkelstein, Beisitzer
Tatjana Malafy, Oberratsdelegierte
Frau Schwedchenko, Oberratsdelegierte

Rabbiner

Information folgt

Kontakt

Israelitische Kultusgemeinde Rottweil/VS K.d.ö.R.
Nägelesgrabenstraße 24
78628 Rottweil

T +49 741 942 08 78
F +49 741 942 08 85

ikg.rottweil@gmx.de

Ansprechpartner: Tatjana Malafy
Anschrift Jüdischer Friedhof: Hoferstraße, 78628 Rottweil

Bildnachweis großes Bild oben: Tatjana Malafy

Wissens- und Sehenswertes zum jüdischen Rottweil:

  1. Bericht von SWR Aktuell am 19.02.2017: Synagoge in Rottweil eingeweiht
  2. Virtueller Stadtrundgang der Stadtverwaltung Rottweil: Spuren jüdischen Lebens in Rottweil
  3. Aufarbeitung der jüdischen Geschichte der Stadt Rottweil und ihrer Umgebung: Verein Ehemalige Synagoge Rottweil e.V.
  4. Buch von Gisela Roming: „Jüdisches Rottweil 1798-1938“, Neckartal Verlag
  5. Buch von Heinz Högerle, Peter Müller, Martin Ulmer: „Ausgrenzung, Raub, Vernichtung – NS-Akteure und Volksgemeinschaft gegen Juden in Württemberg und Hohenzollern“ 1933-1945", Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg