In einem Gastbeitrag für die «Badischen Neuesten Nachrichten» (BNN am 11.05.2024) schreibt der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRG Baden) Rami Suliman, warum der 7. Oktober 2023 ein einschneidendes Ereignis markiert – für Israel, aber auch für die Juden überall in der Welt, so auch in Baden. Er erläutert die aktuelle Lage und wirbt für Verständigung und Differenzierung.

Antisemitische Ereignisse gebe es seit Jahrhunderten, schreibt er. Lange Zeit wiegten sich Politik und Mehrheitsgesellschaft hierzulande davor in Sicherheit. Warnungen und Berichte der Jüdischen Gemeinschaft über antisemitische Bedrohungen seien jedoch bis zum Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019 abgetan und nicht ernstgenommen worden. Seither habe sich viel getan. So unterstütze das Land Baden-Württemberg bei den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen, das Bewusstsein von Politik und Gesellschaft habe sich den tatsächlichen Verhältnissen angepasst, überregionale interkonfessionelle Zusammenschlüsse seien intensiviert und freundschaftliche Kontakte zwischen Muslimen und Juden verstärkt worden.

Das Hamas-Massaker vom 07.10.2023 mit 1.200 Ermordeten traf die israelische Bevölkerung und die Juden in aller Welt völlig unvorbereitet, die von der Hamas verschleppten Geiseln verschärften dieses Erleben noch. Rami Suliman schreibt, der Staat Israel, der seit seiner Gründung mit feindlichen Einstellungen und Angriffen seiner arabischen Nachbarn zu tun hat, habe das Recht sich zu verteidigen, das Völkerrecht stehe auf seiner Seite. «Wir können – auch unter dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung – nicht anerkennen, dass das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird. Genau dies geschieht augenblicklich. Man darf auch nicht vergessen, dass immer noch viele Geiseln in der Hand der Hamas sind. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, unschuldige Menschen als Geiseln festzuhalten. Es gibt auch keine Rechtfertigung dafür, die eigenen Bevölkerung in Geiselhaft zu nehmen, wie die Hamas dies tut.» Das bedeute nicht, meint er, dass keine Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung geübt werden dürfe. Doch die hier lebenden Jüdinnen und Juden würden stellvertretend in Haftung genommen und sehen sich direktem Antisemitismus ausgesetzt: «Auf Demonstrationen werden Juden beschimpft und mit dem Tode bedroht. In Universitäten werden Juden – bis hin zum tätlichen körperlichen Angriff – bedroht. Propaganda und angebliche Opferzahlen der Hamas werden verbreitet und machen Stimmung gegen hier lebende Juden. Kinder trauen sich nicht mehr in den Religionsunterricht, Erwachsene nicht mehr in die Synagoge.» Das beträfe nicht alle hier lebenden Juden, aber so viele, dass man es nicht ignorieren könne. «Die jüdische Minderheit darf nicht länger als Prellbock für die politischen Interessen wohlmeinender oder verblendeter Demonstranten und Diskutanten herhalten. Die jüdische Gemeinschaft hat keinen Einfluss auf die israelische Politik. Aus der geschilderten historischen und persönlichen Verbundenheit heraus aber betreffen die Geschehnisse im Nahen Osten die hier lebenden Jüdinnen und Juden unmittelbar und existentiell. Das sollte die Mehrheitsgesellschaft wahrnehmen und akzeptieren.», erklärt er. Es gelte unterschiedliche Meinungen auszuhalten. Rami Suliman: «Wir in Baden werden den Konflikt nicht lösen können. Wir können diejenigen, die an Lösungen arbeiten unterstützen, mehr aber nicht. Was wir können ist, unser Leben hier gewaltfrei und in gegenseitigem Respekt vor dem Andersdenkenden zu führen. Unterschiedliche Meinungen auszuhalten, Interessen zum Ausgleich zu bringen und Gemeinsamkeiten zu erkunden, so dass das Zusammenleben bei uns in Baden gut, sicher und angstfrei gelingt.»

Vollständiger Artikel in der BNN / Samstag, 11. Mai 2024:
Gastbeitrag: Jüdische Minderheit als Prellbock - in Baden und überall

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