Unter dem Motto "Mache dich auf und werde Licht" (Jes. 60.1.) sollte am Sonntag, den 5. Dezember 2021 in Pforzheim ein Gemeinsamer Festakt stattfinden, zu dem die IRG Baden im Namen der Kirchen und der Stadt Pforzheim geladen hatte. Die Kirchen in Baden-Württemberg und die Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden-Württembergs wollten im Festjahr 2021 “1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ ein sichtbares Zeichen des Füreinandereintretens setzen und in gemeinsamer Verbundenheit zusammen die Lichter zum diesjährigen 2. Advent und zum 8. Tag Chanukka entzünden. Leider musste der Gemeinsame Festakt pandemiebedingt in letzter Minute verschoben werden. Per Videobotschaft grüßen nun zum Schlusstag des Chanukkafestes 5782 die evangelischen und katholischen Bischöfe in Baden-Württemberg im Namen aller Christinnen und Christen der Kirchen. In ihrem Grußwort rufen die Bischöfe Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh (Karlsruhe), Dr. Gebhard Fürst (Rottenburg-Stuttgart), Stephan Burger (Freiburg) und Dr. h. c. Frank Otfried July (Stuttgart) dazu auf, in der Hoffnung auf das Licht G`ttes Zeichen der Solidarität und Nächstenliebe zu setzen. Sie würdigen die 1700-jährige jüdische Geschichte in Deutschland und bekennen sich zu der bleibenden Aufgabe, gegen Diskriminierung und Antisemitismus einzutreten.

Ein Gemeinsamer Festakt wird nun im Reuchlin-Jubiläumsjahr am Sonntag, 18. Dezember 2022, dem 4. Advent und 1. Tag Chanukka 5783 stattfinden.

Zum Gruß der vier Bischöfe unter: https://www.youtube.com/watch?v=xtcWyqJgNgg

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Die Aufzeichnung der Amtseinführung der Polizeirabbiner kann gesehen werden unter: https://youtu.be/6lFLHKkdZ8Q

„Von dem berühmten Rabbiner Israel Zalanter stammt der Satz: Es ist die Pflicht jedes Menschen, 40 Zentimeter zu laufen. 40 Zentimeter? Warum nur 40 Zentimeter? 40 Zentimeter ist der Abstand zwischen Kopf und Herz, zwischen Verstand und Gefühl. Es ist nicht nur wichtig zu wissen, die Fakten aufzunehmen, es ist auch wichtig das Gefühl dafür zu kennen, Sensibilität zu entwickeln“ so beschreibt Polizeirabbiner Moshe Flomenmann seinen Ansatz bei der Vermittlung der Inhalte jüdischen Glaubens und jüdischen Lebens für Polizistinnen und Polizisten.

Durch Vereinbarung der Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden und Württembergs mit dem Land Baden-Württemberg wurden zum 1. Januar 2021 die Stellen von Polizeirabbiner geschaffen. Die beiden ersten Polizeirabbiner sind Landesrabbiner Moshe Flomenmann in Baden und Rabbiner Shneur Trebnik in Württemberg. Baden-Württemberg - und damit Deutschland - ist erst der dritte Staat der Erde, der Polizeirabbiner beschäftigt. Die beiden anderen Länder sind Israel und die USA. Mit einem Festakt wurde die offizielle Amtseinführung der beiden Polizeirabbiner nun am 23.08.2021 durch Landesinnenminister Thomas Strobl im Beisein zahlreicher Gäste aus Politik, Verwaltung, Religionsgemeinschaften und der Hochschule für Polizei nachgeholt. Symbolisch überreichte der stellvertretende Ministerpräsident den Rabbinern Polizeimützen.

Landesrabbiner Moshe Flomenmann zeigte sich nach den ersten Erfahrungen im Kontakt mit Polizeianwärterinnen und Polizeianwärtern erfreut, auf welch großes Interesse er stieß und wie viele tiefgründige Fragen ihm gestellt wurden. „Oft hat die vorgesehene Zeit für die Unterrichtseinheiten nicht ausgereicht, um alle aufgekommenen Fragen zu besprechen - wir haben dann die Zeit einfach überzogen.“ Der Vorsitzende der IRG Baden Rami Suliman bestätigte: „Nach allem was ich gehört habe, kommen beide Rabbiner sehr gut an bei den Polizistinnen und Polizisten. Ihre Berufung setzt ein deutlich sichtbares Zeichen dafür, dass wir Juden im Kampf gegen Antisemitismus nicht alleinstehen. Ein weiteres deutliches Zeichen ist, dass die Polizei alles tut, antisemitische oder nazistische Vorfälle in den eigenen Reihen schnell und kompromisslos aufzuklären.“ Innenminister Strobl dankte für das vertrauensvolle Zusammenwirken und zeigte sich zuversichtlich, dass die zunächst auf zwei Jahre begrenzte Vereinbarung ihre Fortführung findet.

Bild Steffen Schmid: Symbolisch überreichte Innenminister Thomas Strobl eine Schirmmütze an Polizeirabbiner Moshe Flomenmann.

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Am Dienstag, 27.07.2021 wurde die aktuelle Studie „Problembeschreibung: Antisemitismus in Baden-Württemberg“ vom Bundesverband RIAS, von der „Meldestelle #Antisemitismus“ der Jugendstiftung Baden-Württemberg, den Israelitischen Religionsgemeinschaften IRGW und IRG Baden und dem Beauftragten der Landesregierung gegen Antisemitismus, Dr. Michael Blume, vorgestellt. Die vom Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V. (RIAS) erstellte Studie umfasst die Auswertung der Befragung jüdischer Gemeinden im Bundesland und analysiert polizeiliche und zivilgesellschaftliche Daten zu antisemitischen Vorfällen und Straftaten in verschiedensten Lebensbereichen von 2014 bis 2018.

Die Polizeistatistik erfasste in diesen Jahren insgesamt 671 antisemitische Straftaten, die meisten davon sind dem rechten Spektrum zugeordnet. Eine Häufung der Vorfälle zeigt sich nun deutlich in den aktuellen Zahlen, wie die seit Ende 2019 aktive "Meldestelle #Antisemitismus" der Jugendstiftung Baden-Württemberg berichtet. So wurden im ersten Halbjahr 2021 bereits 334 antisemitische Vorfälle gemeldet, die Dunkelziffer sei hoch. Besorgt zeigt sich der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus, Dr. Michael Blume über deren Zunahme. Beunruhigend sei die durch die Corona- und Klimakrise befeuerte digitale Radikalisierung von Verschwörungstheorien, die Jüdinnen und Juden als fremde Gruppe verbunden mit Einfluß, Macht und Geld sehe. Diese habe noch nicht ihren Höhepunkt erreicht. Alarmierend sei auch die Radikalisierung des auf Israel bezogenen Antisemitismus. In welchem Ausmaß Jüdinnen und Juden in Baden-Württemberg latenten Antisemitismus erleben, verdeutlicht die Befragung von 20 jüdischen MitbürgerInnen. So trauen sie sich nicht, als jüdisch wahrgenommen zu werden oder Zeichen ihres Glaubens offen zu tragen. Wie Rami Suliman, Vorsitzender der IRG Baden und der Jüdischen Gemeinde Pforzheim bei der Vorstellung sagte, kämen einige Gemeindemitglieder aus Angst nicht mehr zu G´ttesdiensten oder schickten ihre Kinder nicht zum Religionsunterricht. Bedauerlich sei, dass nur wenige der gemeldeten antisemitischen Vorfälle zu Gerichtsverfahren führten. „Wir wissen, wir sind nicht allein. Viele machen viel gegen Antisemitismus. Doch am Ende kommt es zu keinen Verurteilungen. Hier ist die Politik gefordert“, so Rami Suliman. Wichtig sei, die Sensibilisierung gegen Antisemitismus in allen Bildungs- und Sozialmilieus und ein stärkeres Vorgehen gegen antisemitische Übergriffe von Seiten der Justiz.

Die Studie kann eingesehen werden unter https://report-antisemitism.de/findings

Antisemitische Vorfälle melden: Die Jugendstiftung Baden-Württemberg betreibt die Meldestelle „#Antisemitismus“. Sie dokumentiert antisemitische Vorfälle im Land, stellt präventive Angebote zur Verfügung und vermittelt Beratung. Sind bei der Meldestelle eingereichte Vorfälle strafrechtlich relevant, erstattet die Jugendstiftung Anzeige beim Landeskriminalamt. Die meldende Person bleibt dabei anonym. Antisemitische Vorfälle können gemeldet werden unter https://demokratiezentrum-bw.de/meldestelle-antisemitismus

Bild: "Problembeschreibung: Antisemitismus in Baden-Württemberg" Bundesverband RIAS

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Am 4. Juli 1971, also vor genau 50 Jahren, wurden die Thorarollen in die neue Synagoge Karlsruhe eingebracht. Lange war in den 60er Jahren diskutiert worden, zwei Jahre wurde gebaut, dann war sie 1971 fertig: Die erste noch bestehende Synagoge mit Gemeindezentrum nach dem Krieg in Baden. Aus Anlass des goldenen Jubiläums kamen zahlreiche Ehrengäste - unter den erschwerten Bedingungen der Vorgaben der Coronaverordnung - am Sonntag, 11.07.2021 zu einer Feierstunde in der Synagoge Karlsruhe zusammen. Kultusministerin Theresa Schopper vertrat das Land Baden-Württemberg mit einem Grußwort, Präsident Dr. Josef Schuster den Zentralrat der Juden in Deutschland und OB Dr. Frank Mentrup die Stadt Karlsruhe. Der Vorsitzende Rami Suliman und Landesrabbiner Moshe Flomenmann sprachen für die IRG Baden. Für die JKG Karlsruhe sprach deren Vorsitzende Solange Rosenberg. Als Zeitzeuge sprach Rabbiner Gerald Rosenfeld, der die Gäste an seinen Erinnerungen an die Synagogeneröffnung teilhaben ließ. Rami Suliman brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass die Karlsruher Gemeinde auf über 850 Mitglieder gewachsen ist und nach der Erweiterung des Gemeindezentrums bald über eine Mikwe verfügen wird. Er träumt davon, dass es eines Tages in Karlsruhe sogar einen jüdischen Kindergarten und eine jüdische Grundschule geben wird.

Bild 1: Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Bild 2: Rami Suliman, Vorsitzender der IRG Baden.

Bildquelle: Thorsten Orgonas, IRG Baden

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Kinderrettung im Lager Gurs

Vor 80 Jahren, am 22. und 23. Oktober 1940, wurden über 6.500 jüdische Bürgerinnen und Bürger aus Baden, der Pfalz und dem Saarland mitten aus ihrem Leben gerissen und nach Südfrankreich in das Internierungslager Gurs deportiert. Unter ihnen waren auch 560 Kinder und Jugendliche. Die Lagerzustände waren katastrophal, viele Deportierte erkrankten und starben in den Folgemonaten. Ab 1941 arbeiteten verschiedene religiöse, humanitäre und politische Organisationen zusammen und bildeten eine „Ökumene des Widerstands“, um so viele Kinder und Jugendliche wie möglich aus Gurs und den Nebenlagern herauszuholen. Dem entschlossenen Handeln dieser mutigen Helfer*innen ist es zu verdanken, dass 409 jüdische Kinder und Jugendliche vor den Nazis und dem sicheren Tod gerettet werden konnten. Die übrigen der aus dem Südwesten verschleppten Menschen wurden ab 1942 in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Sobibor deportiert und dort meist kurz nach ihrer Ankunft ermordet.

Unterstützt von der IRG Baden haben Brigitte und Gerhard Brändle über die Rettungsaktionen recherchiert und stellen in ihrer umfassenden Dokumentation „Gerettete und Ihre RetterInnen – Jüdische Kinder im Lager Gurs: Fluchthilfe tut not – eine notwendige Erinnerung“ die Biografien der 560 Kinder und Jugendlichen aus den Städten und Gemeinden Badens, der Pfalz und des Saarlands in den Mittelpunkt. Portraits, Bilder und Dokumente zeigen die Geschichte und die Geschichten der Geretteten. Viele Schicksale konnten erstmals dokumentiert werden. Ergänzt werden diese durch die Biografien ihrer meist unbekannten Retterinnen und Retter, die für die Rettungsaktionen ihre Freiheit und ihr Leben riskierten. Ihr moralisches Handeln wurde zum Leuchtfeuer in düsterer Zeit.

Brigitte und Gerhard Brändle geben ihnen mit dieser Dokumentation Stimme und Gesicht - ein eindrucksvolles Zeugnis von Menschlichkeit und Solidarität über politische und religiöse Grenzen hinweg, das Perspektiven für die Zukunft aufweist.

Herausgeber der 200 Seiten umfassenden Dokumentation über die Rettung der jüdischen Kinder im Lager Gurs ist die IRG Baden.

Brigitte und Gerhard Brändle: Gerettete und ihre RetterInnen

 

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