Die Gedenkstunde des Landtags von Baden-Württemberg zum Holocaust-Gedenktag erinnerte am 26. Januar 2024 an die Schicksale der badischen Jüdinnen und Juden, die zu den Opfern der ersten großen Deportationsaktion im Deutschen Reich gehörten. Zugleich wurde das jüdische Leben im badischen Landesteil gewürdigt. An der bewegenden Veranstaltung im Konzerthaus nahmen rund 500 Personen teil, darunter Abgeordnete aller Fraktionen, Vertreterinnen und Vertreter von Regierung und Opfergruppen sowie ca. 200 Schülerinnen und Schüler aus sieben Schulen in Baden-Württemberg. Die Redner blickten mit mahnenden Worten auch auf die Gegenwart.

Videoaufzeichnung in der Mediathek des Landtags:  Gedenkstunde am 26. Januar 2024

Landtagspräsidentin Muhterem Aras sagte, Antisemitismus sei leider nie verschwunden. Die Gesellschaft müsse deutlich machen, dass sie das nicht dulde, alle Bürgerinnen und Bürger seien nun gefragt, Position zu beziehen. "Auch um die Opfer des 7. Oktobers trauern wir heute," sagte sie. Israel sei für Jüdinnen und Juden weltweit nach Tausenden Jahren von Judenhass, nach Verfolgung und Vernichtung ein Zufluchtsort geworden, ein möglichst sicherer Hafen. Doch seit dem 7. Oktober gelte eine neue Zeitrechnung: "Der sichere Hafen wurde in den Krieg gestürzt, der Staat Israel tief verwundet." Aras kritisierte die Relativierung des Terrors mit "Ja, aber". Sie sagte: "Beschämenderweise auch hier, in Deutschland. Es gibt kein Aber. Keine Rechtfertigung für die Bluttaten der Hamas. Mit keiner einzigen Silbe!"

Der IRG Baden Vorsitzende Rami Suliman beschrieb, dass es im 19. Jahrhundert in hunderten Dörfern und Städten in Baden jüdische Bevölkerung gab. In manchen Ortschaften wie Königsbach oder Obergrombach stellten sie einen großen Teil der Bevölkerung. Gerade deshalb verwundert mit Blick auf diese große Sichtbarkeit heute, dass schon vor der Wannseekonferenz 1942 Baden in der Zeit des Nationalsozialismus als „judenfrei“ galt – vor den meisten anderen Regionen in Deutschland. Er fragte: „Wie kann es sein, dass gerade in Baden, das als so liberal galt, wo jüdisches Leben zum Alltag gehörte, dass gerade hier der Nationalsozialismus so schnell Fuß fassen und das jüdische Leben zerstören konnte?“ Im Hinblick auf den 7. Oktober mahnte Rami Suliman, das Thema der Verfolgung von Juden und das Erinnern nicht zu einem Thema für das Museum zu machen: „Judenverfolgung, Judenhass und Pogrome sind auch Teil unserer Gegenwart. Für uns ist das sehr präsent. Und es ist wichtig, das zu betonen: auch heute und hier! Dazu gehört auch, dass unser Einsatz gegen Antisemitismus hier in Deutschland nicht nur leere Worte sind!“ Er forderte: „Es muss ein genaues Hinschauen geben, wo Antisemitismus sich hinter anderen Themen versteckt und wo es in Wahrheit darum geht, jüdisches Leben zu zerstören!“ Geschlossen erhoben sich die Teilnehmer der Gedenkstunde zu seinem Aufruf: „An Tagen wie heute müssen wir deshalb aufstehen und alles dafür tun, dass solche Stimmen kein Gewicht haben. Stehen wir gemeinsam auf!“

Desweiteren sprach OB Dr. Frank Mentrup. Prof. Dr. Doron Kiesel, wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, beschrieb in einem Fachvortrag jüdisches Leben in Baden damals und heute.

JuJuBa (Jüdische Jugend Baden) erinnerten sehr bewegend mit „Erinnerung ist Hoffnung –  und Hoffnung ist Erinnerung“ an historische jüdische Persönlichkeiten aus Baden und an die badischen Opfer der Shoa. Jeder im Saal Anwesende erhielt einen Umschlag mit dem Namen einer der vom NS-Regime ermordeten badischen Jüdinnen und Juden zur Bewahrung. Mit dem Gedenken an Uriah Bayer (20), Sohn einer deutsch-christlichen Familie, die 1984 im nordisraelischen Maalot ein Pflegeheim für Holocaust-Überlebende gründeten, zeigte JuJuBa welch hoher Tribut der Schutz jüdischen Lebens in der aktuellen Lage fordert. Der junge Sergeant Major der israelischen Armee verstarb im Dezember 2023 nach schwerer Verwundung beim Kampf gegen die Terrororganisation Hamas, in deren Hände noch 136 Geiseln sind.

Feinfühlig umrahmten Fenella Bockmaier am Flügel sowie Mezzospranistin Shachar Lavi mit Ido Ramot (Klavier) die Gedenkstunde.

Stilles Gedenken auf dem Jüdischen Friedhof in Karlsruhe

Die Redner der Gedenkstunde:
v.l. Dr. Frank Mentrup (OB Stadt Karlsruhe), Muhterem Aras (Landtagspräsidentin BW), Rami Suliman (IRG Baden) mit Prof. Dr. Doron Kiesel (wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland)

Landtagspräsidentin Muhterem Aras blickte mit mahnenden Worten auf die Gegenwart

 

Geschlossenheit zeigten die Teilnehmer der Gedenkstunde beim Aufruf des IRG Baden Vorsitzenden, Rami Suliman, gemeinsam gegen Antisemitismus aufzustehen

JuJuBa: Erinnerung ist Hoffnung - und Hoffnung ist Erinnerung

JuJuBa (Jüdische Jugend Baden) mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras

Fenella Bockmaier eröffnete die Gedenkfeier mit einem Musikstück von Paul Ben-Chaim Sonatina op.38: III Molto vivo

Die israelische Mezzosopranistin Shachar Lavi und Ido Ramot (Klavier) beschlossen die Gedenkeier mit einem Lied von Gustav Mahler

 
 

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