Gemeinsamer Festakt 2022

Ein sichtbares Zeichen für Frieden und Verständigung

Unter dem Motto „Mache dich auf, werde Licht, denn dein Licht kommt“ fand am 18. Dezember 2022 erstmals ein großer Gemeinsamer Festakt statt, zu dem die IRG Baden und die christlichen Kirchen in Baden und Württemberg nach Pforzheim geladen hatten. Die Veranstalter, unter ihnen auch die IRG Württembergs und die Stadt Pforzheim, wollten damit im Rahmen von Chanukka 5783 und Advent 2022 ein sichtbares Zeichen für Frieden und Verständigung setzen.

Neben dem badischen Landesrabbiner und der Bischöfin und den Bischöfen der vier großen Kirchen in Baden-Württemberg nahmen auch Landtagspräsidentin Muhterem Aras sowie zahlreiche Ehrengäste aus Religion und Politik daran teil.
(v.l. Peter Boch (Oberbürgermeister Stadt Pforzheim), Rami Suliman (Vorsitzender IRG Baden), Landesbischöfin Prof. Dr. Heike Springhart (Evangelische Landeskirche Baden), Dr. Michael Blume (Religionswissenschaftler, Antisemitismusbeauftragter BW), Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Landtag BW), Erzbischof Stephan Burger (Erzdiözese Freiburg), Prof. Barbara Traub (Vorstandssprecherin IRG Württembergs) Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl (Evangelische Landeskirche Württemberg), Bischof Dr. Gebhard Fürst (Diözese Rottenburg-Stuttgart) und Landesrabbiner Moshe Flomenmann (Baden). Foto: Lichtgut/Leif Piechowski)

Der Festakt

Rami Suliman, Vorsitzender der IRG Baden führte zusammen mit Dekanin Christiane Quincke (Ev. Kirche Pforzheim) und Dekanatsreferent Tobias Gfell (Kath. Kirche Pforzheim) durch den Abend. Er begrüßte die rund 200 geladenen Gäste und sagte mit Bezug auf die kurz vorher beendete Fußball-Weltmeisterschaft:

„Im Fußball haben wir gesehen: Wenn man im Strafraum spielt, spielt man vorsichtig, um ja keinen Elfmeter zu riskieren. Im Mittelfeld spielt man freier, weil ein Foul in der Regel keine gravierenden Konsequenzen hat.“

Er wünsche sich, so Rami Suliman, dass das Verhältnis zwischen Christen, Juden und Muslimen im Mittelfeld spiele, so wie es in Pforzheim der Fall sei, wo das Verhältnis zwischen den Religionsgemeinschaften seit vielen Jahren eng vernetzt ist und über die Region hinaus als vorbildhaft gilt.

Das erste Licht des Chanukka-Leuchters entzündete Landesrabbiner Moshe Flomenmann gemeinsam mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras. Landes- und Polizeirabbiner Moshe Flomenmann sagte:

„Nur Licht kann Dunkelheit vertreiben, deswegen werden wir heute hier gemeinsam Licht zünden. Dieses Licht soll Positivität in die Welt bringen und unsere Welt erleuchten.“

Die Landtagspräsidentin meinte, dass Chaukka, das Fest der Freude und des Zusammenkommens, geeignet sei, die Gemeinschaft zu vertiefen. Der Leuchter sei ein Symbol, die im Lande tief verwurzelte jüdische Tradition sichtbarer zu machen und die Selbstverständlichkeit religiöser Vielfalt zu betonen:

„Religionsfreiheit ist integraler Bestandteil unseres Grundgesetzes. Für uns alle ist vollkommen klar: Antisemitismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft. Wir wollen den Reichtum des deutsch-jüdischen Lebens beleuchten und fördern. Wir wollen ihn wieder zum Teil unseres gesellschaftlichen Alltags machen. Beim Schutz jüdischen Lebens stehen wir fest zusammen.“

In seinem Lichtwort würdigte Erzbischof Stephan Burger (Erzdiözese Freiburg) den Dienst, den jüdische und christliche Gemeinden zusammen an den Flüchtlingen aus der Ukraine leisten:

„Wir sind aufgerufen füreinander einzustehen und in die Gesellschaft hineinzuwirken.“

Und Bischof Ernst-Wilhelm Gohl (Ev. Landeskirche Württemberg, Bild vorne) mahnte, gegen das „Gift des Antijudaismus“ einzutreten und sich Menschen, wie den in Pforzheim geborenen Johannes Reuchlin zum Vorbild zu nehmen, der sich gegen alle Widerstände für den Erhalt der jüdischen Schriften eingesetzt hatte:

„Hellsichtige Personen wie Reuchlin, die sich in den Jahrhunderten für Jüdinnen und Juden eingesetzt haben, waren in positiver Weise stilprägend und sind Vorläufer des heutigen guten Miteinanders.“

Der Festakt wurde live vom Landtag Baden-Württemberg übertragenen. Die musikalische Umrahmung gestaltete Lars Quincke.

Die Podiumsgespräche

Bei den von Dr. Michael Blume moderierten Podiumsgesprächen tauschten sich zunächst Prof. Barbara Traub (IRG Württembergs), Landesbischöfin Prof. Dr. Heike Springhart (Ev. Landeskirche Baden), Landesrabbiner Moshe Flomenmann (Baden) und Bischof Dr. Gebhard Fürst (Diözese Rottenburg-Stuttgart) über die Gemeinsamkeiten der Religionen, die Wahrung der eigenen religiösen Identität und über die aktuellen gegenseitigen Beziehungen aus.

Prof. Dr. Barbara Traub:

„In der Hochschule an der ich unterrichte sehe ich auch immer, wie wichtig es ist, dass man in den Religionen nicht über den anderen hinweg lernt, sondern im Gespräch mit dem anderen lernt.“

Prof. Dr. Heike Springhart:

„Im Hinblick auf Verwundbarkeit ist mir wichtig, dass wir sensibel füreinander werden und miteinander im Gespräch sind. Wir müssen unsere unterschiedlichen Empfindlichkeiten wahrnehmen und als Stärke erkennen, so dass wir wirklich füreinander offen werden.“

Landesrabbiner Moshe Flomenmann sagte:

„Es geht nicht darum, die Grenzen der Religionen abzuschaffen, aber wir sollen tolerant zueinander sein, einander respektieren und die unterschiedlichen Identitäten achten. Es ist wichtig, stark in der jeweiligen Religion zu sein.“

Und Bischof Dr. Gebhard Fürst:

„Es verbindet uns alle, dass Religionen für das Licht stehen und nicht für Hoffnungslosigkeit. Wenn wir heute zusammen feiern, ist das Licht ein anthropologisches Grundsymbol, das wir miteinander teilen.“

Auf dem zweiten Podium berichteten Michael Suliman (Mitglied der Jüdischen Gemeinde Pforzheim), OB Peter Boch (Stadt Pforzheim) und Mirzeta Haug (Mitglied im Rat der Religionen Pforzheim) vom Gelingen und den Herausforderungen interreligiösen Zusammenlebens in Pforzheim. Peter Boch, Oberbürgermeister Stadt Pforzheim sagte:

„Dieser Abend zeigt auch, wie gut wir uns untereinander vernetzen und Interesse aneinander haben.“

Die beiden Landeskirchen und Diözesen in Baden-Württemberg überreichten eine Kerze an die Interreligiöse Kita Irenicus Pforzheim und würdigten damit die Arbeit des bundesweit einzigartigen Projekts.

Auch die Tischnamen im Saal standen exemplarisch für die gemeinsamen verbindenden Werte der Religionen.

Am Ende der Podiumsgespräche betonte Dr. Michael Blume vor den rund 200 Gästen, dass dies ein religionsgeschichtlich bedeutender Tag gewesen sei.

Ungezwungen und in lockerer Atmosphäre bot der weitere Abend viel Gelegenheit für die Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen und für neue Begegnungen. Stimmungsfroh und mit großer Zuversicht klang der Gemeinsame Festakt 2022 aus. Ein Gast fasste den Abend so zusammen:

"In dieser Weise habe ich es noch nie erlebt!"


Die Filme des Gemeinsamen Festakts 2022 können auf YouTube gesehen werden unter:

Gemeinsamer Festakt 2022 - Impressionen

Gemeinsamer Festakt 2022 - Podiumsgespräch 1

Gemeinsamer Festakt 2022 - Podiumsgespräch 2


Fotos: Claudia Becker
Filme: Wossidlo-Film

 

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